Vermeiden Sie diese Todsünden bei der Vermögensnachfolge, Teil 3

Die Sache mit den 10-Jahresfristen

In der erb­recht­li­chen Bera­tung sind Fra­gen nach den 10-Jah­res­fris­ten im Erb- und Erb­schaft­steu­er­recht bereits im Erst­be­ra­tungs­ge­spräch üblich und die Schluss­fol­ge­run­gen häu­fig für die wei­te­re Ver­mö­gens­nach­fol­ge­ge­stal­tung entscheidend. 

Die wich­tigs­ten 10-Jah­res­fris­ten sind:

  1. Neu­ent­ste­hen der Erb­schaft-/Schen­kung­steu­er­frei­be­trä­ge alle 10 Jahre
  2. Schen­kungs­wi­der­ruf wegen Ver­ar­mung des Schen­kers inner­halb von 10 Jah­ren nach der Schenkung
  3. Pflicht­teils­er­gän­zungs­an­spruch des Pflicht­teils­be­rech­tig­ten für Schen­kun­gen des Erb­las­sers bis zu 10 Jah­re vor sei­nem Tod

Allen die­sen drei Fris­ten ist gemein, dass für den Fall der schenk­wei­sen Über­tra­gung von Ver­mö­gens­ge­gen­stän­den inner­halb von 10 Jah­ren nach der Über­tra­gung noch Risi­ken für den Erben/den Emp­fän­ger der Leis­tung bestehen, wenn ein wei­te­rer Umstand ein­tritt. Dies kann eine Ver­ar­mung des Schen­kers wegen Pfle­ge­kos­ten sein, oder der Tod des Erb­las­sers, der Pflicht­teils­er­gän­zungs­an­sprü­che auslöst. 

Die­se drei Fris­ten haben als gemein­sa­me Vor­aus­set­zung, dass eine Schen­kung vor­liegt, wobei das Steu­er­recht die­se im Detail anders defi­niert als das Pflicht­teils- und das zivil­recht­li­che Schen­kungs­recht. Der Erb­rechts­fach­an­walt wird des­halb zur Ver­mei­dung der nega­ti­ven Fol­gen einer Schen­kung Gestal­tun­gen vor­zie­hen, die zu einem ent­gelt­li­chen Aus­tausch­ge­schäft füh­ren, also im Ergeb­nis eine kauf­ver­trags­ähn­li­che Über­tra­gungs­form. Dies aus fol­gen­den Gründen:

Ver­ein­facht aus­ge­drückt muss ein Pflicht­teil auch für leb­zei­ti­ge Geschen­ke des Erb­las­sers an Drit­te nach dem Tod des Erb­las­sers an den Pflicht­teils­be­rech­tig­ten bezahlt werden. 

Es steht dem Erb­las­ser jedoch frei, bei­spiels­wei­se eine Immo­bi­lie bereits vor sei­nem Tod auf sei­nen zukünf­ti­gen Erben zu über­tra­gen und sich umfas­sen­de Ver­sor­gungs­leis­tun­gen vor­zu­be­hal­ten, damit er im Bedarfs­fall gepflegt wird und sein Anwe­sen sicher bis zum Able­ben oder dem Umzug ins Pfle­ge­heim bewoh­nen darf. Außer­dem muss die Über­tra­gung selbst­ver­ständ­lich gegen ein Vor­ver­ster­ben des Beschenk­ten, die Schei­dung des Emp­fän­gers usw. abge­si­chert wer­den. Auch kön­nen mit der Immo­bi­li­en­über­ga­be Leis­tun­gen des Emp­fän­gers an den Schen­ken­den aus der Ver­gan­gen­heit abge­gol­ten wer­den, bspw. bis­he­ri­ge Pfle­ge­leis­tun­gen oder Hil­fe im Haushalt. 

Alle die­se Gegen­leis­tun­gen / Leis­tungs­vor­be­hal­te haben einen Geld­wert, der dazu führt, dass die Über­ga­be sich von einer Schen­kung ent­fernt und zu einem kau­f­ähn­li­chen Vor­gang wird, nur ohne Kauf­preis­zah­lung. Nach­dem Wart- und Pfle­ge und das Woh­nungs­recht für den Über­ge­ber höchst­per­sön­lich und auf Lebens­zeit ein­ge­räumt sind, haben die­se Rech­te im Todes­fall des Über­ge­bers kei­nen Geld­wert mehr und erhö­hen nicht mehr den Pflicht­teils­an­spruch eines ent­erb­ten Kin­des. Hät­te der Emp­fän­ger einen Kauf­preis an den Über­ge­ber bezahlt, so wäre der Pflicht­teil aus die­sem Erlös zu bezah­len. Opti­mal gestal­te­te leb­zei­ti­ge Über­tra­gun­gen bie­ten in gewis­sen Gren­zen Schutz gegen Pflicht­teils­an­sprü­che und gegen Sozialregress. 

Die Steu­er­be­hör­den sind gleich­wohl an Ihre Bewer­tung der Wart- und Pfle­ge sowie eines Woh­nungs­rechts nicht gebun­den und neh­men die Bewer­tung nach den steu­er­li­chen Vor­schrif­ten vor. 

Auch hier ist jedoch das Wohn­recht anhand der sta­tis­ti­schen Rest­le­bens­er­war­tung des Über­ge­bers zu bewer­ten, abzu­zin­sen und min­dert den Schen­kungs­wert. Auch die Wart- und Pfle­ge — sofern sie tat­säch­lich geleis­tet wer­den muss — min­dert nach­träg­lich den Schen­kungs­wert. Zusätz­lich lässt sich mit leb­zei­ti­gen Über­tra­gun­gen der Erb­schaft­steu­er­frei­be­trag mehr­mals aus­nut­zen, da die­ser alle 10 Jah­re neu entsteht. 

Noch ein wei­te­res, nicht­ju­ris­ti­sches Argu­ment spricht für eine leb­zei­ti­ge Ver­mö­gens­nach­fol­ge: Bei Erbaus­ein­an­der­set­zun­gen oder Pflicht­teils­strei­tig­kei­ten nach dem Tod des Erb­las­sers unter den Erben wird es häu­fig dar­auf ankom­men, was der Erb­las­ser in sei­nem Tes­ta­ment gemeint hat, wer der Kin­der zu Leb­zei­ten wie viel vom Erb­las­ser erhal­ten hat und wer sich wie inten­siv um den Erb­las­ser geküm­mert hat. 

Der­je­ni­ge, der hier­über am bes­ten Bescheid weiß, näm­lich der Erb­las­ser selbst, lebt nicht mehr und kann nicht mehr gefragt wer­den. Vie­le kos­ten­in­ten­si­ve, lang­wie­ri­ge und mensch­lich belas­ten­de Rechts­strei­tig­kei­ten hät­ten sich ver­mei­den las­sen, wenn der Erb­las­ser zu Leb­zei­ten kla­re Ver­hält­nis­se geschaf­fen hät­te. In der Regel ist die leb­zei­ti­ge Ver­mö­gens­nach­fol­ge auch erheb­lich kos­ten­güns­ti­ger als ein jah­re­lan­ger Erbstreit.