Laut statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2021 insgesamt 11,1 Milliarden Euro Erbschafts- und Schenkungsteuer erhoben und damit 30% mehr als im Vorjahr. In Zeiten rekordverdächtiger Immobilienpreise, nach wie vor hohen Aktienkursen und einer alternden Gesellschaft sind Schenkungs- und Erbschaftsteuer damit endgültig auch beim Durchschnittsbürger angekommen. Welche Mittel bestehen zur steueroptimierten Vermögensnachfolge?
Nutzen Sie alle Freibeträge
Beispielsfall: Vater V hat während seines Erwerbslebens ein Nettovermögen von 2 Mio Euro hauptsächlich in Immobilien aufgebaut. Mutter M hat mit Teilzeitarbeit neben der Kindeserziehung lediglich 50.000 € erwirtschaftet. Die beiden haben 2 Kinder, K1 und K2. Stirbt nunmehr M zuerst, so haben die Kinder zwar jeweils 400.000 € und V sogar 500.000 € Steuerfreibetrag zu M, aber diese Freibeträge verfallen ungenutzt, weil M kaum Vermögen vererbt. Stirbt nun hinterher V, so reichen die Freibeträge von 2x400.000 € der beiden Kinder nicht aus und jedes Kind muss mit einer Erbschaftsteuerlast von mehr als 120.000 € rechnen. Dieser Steuerschaden von insgesamt mindestens 240.000 € wäre durch güterrechtliche Gestaltungen zwischen den Ehegatten ohne Weiteres weitgehend vermeidbar gewesen.
Übertragen Sie zu Lebzeiten
Die Steuerfreibeträge entstehen alle zehn Jahre neu. Durch lebzeitige Übertragungen können Sie also das steuerfrei vererbbare Vermögen erheblich auf das zwei‑, drei- oder sogar vierfache vergrößern, wenn Sie früh genug mit den lebzeitigen Übertragungen beginnen. Übertragungen mit Nießbrauchsvorbehalt reduzieren den steuerlichen Wert der Schenkung weiter und sorgen dafür, dass der Vermögensgegenstand weiter unbeschränkt durch den Übergeber genutzt werden kann.
Achten Sie bei der Testamentsgestaltung auf Steueroptimierungen
Das beliebteste Testament in Deutschland ist das sog. Berliner Testament, d.h. Ehegatten setzen sich zunächst zu Alleinerben ein und die gemeinsamen Kinder sollen dann nur den Längerlebenden beerben. Das Problem an dieser Gestaltung ist, dass die Steuerfreibeträge der Kinder nach dem Erstversterbenden auch hier weitgehend ungenutzt bleiben. Man könnte selbstverständlich die gemeinsamen Kinder auch bereits zu Erben nach dem Erstversterbenden einsetzen, aber dies kann dazu führen, dass der längerlebende Ehegatte nicht mehr der “Herr im Haus” ist. Die Lösung für das Problem ist die Anordnung von Bestimmungsvermächtnissen, bei denen der längerlebende Ehegatte als Alleinerbe selbst entscheiden kann, ob er aus dem Vermögen des Erstverstorbenen den Kindern Zuwendungen macht oder nicht. Diese Zuwendungen gelten erbschaftsteuerlich als vom Erstverstorbenen zugewandt, obwohl der längerlebende Ehegatte der alleinige Erbe geworden ist.
Nutzen Sie Erbschaftsteuerbefreiungen
Die bekannteste Erbschaftsteuerbefreiung ist das sog. Familienheim. Der Ehegatte oder ein Kind können das vom Erblasser bis zuletzt bewohnte Wohnanwesen idR vollständig erbschaftsteuerfrei erben, wenn sie unverzüglich nach dem Tod des Erblassers dort einziehen und mindestens 10 Jahre dort wohnen bleiben. Bei Kindern gilt diese Befreiung aber nur soweit das Anwesen eine Wohnfläche von maximal 200qm hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob dieses Wohnanwesen eine Ruine in Brandenburg oder eine Villa in München / Schwabing ist. Das Steuersparpotential ist enorm.
Der Gesetzgeber begünstigt im Erb- oder Schenkungsfall Betriebsvermögen idR stark. Der mit dem vereinfachten Ertragswertverfahren errechnete Betriebswert bleibt — soweit das Betriebsvermögen tatsächlich sog. begünstigtes Vermögen ist, regelmäßig zu 85% oder sogar 100% bei Optionsverschonung steuerfrei. Der Erwerber muss aber Auflagen nach dem Erwerb einhalten. Er darf beispielsweise die sog. Lohnsumme nicht erheblich reduzieren oder das Unternehmen frühzeitig veräußern. Zusätzlich erhält er einen weiteren Freibetrag.
Auch der Erwerb denkmalgeschützter Vermögensgegenstände kann erbschaftsteuerlich begünstigt sein, allerdings sind die Anforderungen sehr hoch. Es ist beispielsweise nötig, dass der dem Denkmalschutz unterliegende Gegenstand der Forschung und Volksbildung nutzbar gemacht wird, was regelmäßig nicht den Interessen der Erblasser entspricht.
Vermietete Immobilien fließen nur zu 90% ihres Werts in den erbschaftsteuerlichen Erwerb ein.
Wehren Sie sich gegen überzogene Bewertungen durch das Finanzamt
Häufig entbrennt bei Nachlassimmobilien Streit über die korrekte steuerliche Bewertung. Sie müssen nicht jede Bewertung durch das Finanzamt akzeptieren. Insbesondere Wertreduzierungen durch bauliche Mängel werden idR erst durch Gutachter wertmindernd berücksichtigt. Ihnen steht das Recht zu, den richtigen Wert einer Nachlassimmobilie durch ein Sachverständigengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen nachzuweisen.
Schichten Sie Ihr Vermögen erbschaftsteuerbegünstigt um
Bargeld, Buchgeld, Aktien und Edelmetalle werden erb- und schenkungsteuerlich immer mit ihrem Stichtagswert bewertet. Hier gibt es kaum Möglichkeiten, die Erbschaftsteuer argumentativ zu reduzieren. Wird hingegen Geld verwendet um Immobilien vor der Übergabe oder Erbschaft aufzuwerten, so spiegelt sich die Investitionssumme in aller Regel nicht 1:1 im steuerlichen Wertzuwachs der Immobilie wieder, selbst wenn der Marktpreis der Immobilie entsprechend steigt. Die steuerliche Bewertung hat nur begrenzt Anlehnung an den Verkehrswert und es spielt keine Rolle, ob die Immobilie später zu einem weit größeren Betrag verkauft wird. Selbstverständlich bieten sich auch Investitionen in das Betriebsvermögen eines steuerlich privilegierten Gewerbe- oder land-/ und lorstwirtschaftlichen Betriebs vor dem Erb- / Schenkungsfall an.
(Gemeinnützige) Stiftung und Vereine
Stiftungen werden für gewöhnlich aufgrund des Gründungs- und Organisationsaufwands sowie der damit verbundenen Kosten und Einschränkungen im Vermögenszugriff erst bei zweistelligen Millionenvermögen interessant. Diese Gestaltungen sorgen bei inländischen Familienstiftungen aber nicht automatisch für eine geringere Erbschaftsteuerbelastung, sondern in erster Linie für eine bessere Planbarkeit der Steuer. Entgegen verbreiteter Ansicht ist die liechtensteinische Familienstiftung steuerlich keine überlegene Konstruktion. Wenn Sie altruistisch verlangt sind, können Sie Ihr Vermögen auch gemeinnützigen Stiftungen und Vereinen vererben. Diese sind vollständig erbschafts-/ und schenkungsteuerlich befreit.
Wie Sie sehen, existieren zahlreiche Gestaltungsmöglichkeiten um die Erbschaftsteuerbelastung effektiv zu reduzieren. Sie müssen jedoch zu Lebzeiten aktiv werden. Die Erbschaftsteuer ist ohne Zweifel diejenige Steuer, die sich am weitgehendsten legal reduzieren lässt. Bitte beachten Sie aber, dass alle angesprochenen Optionen auch zivilrechtliche, insbesondere pflichtteilsrechtliche Folgen haben können, die der Gestaltung entgegenstehen können. Das Lesen dieses Artikels ersetzt keine qualifizierte Rechtsberatung anhand des jeweiligen Einzelfalls.